Wir eröffnen ein Gym und einen Barber-Shop. Wir werden Fernsehstars und professionelle Scouts. Die ersten Wochen haben einiges zu bieten.

Alltag
Ich möchte euch einen kleinen Einblick in meinen bisherigen Alltag, wenn man es denn schon so nennen kann, geben. Wir bekommen jeden Morgen, Mittag und Abend eine Mahlzeit direkt bei unserer Unterkunft von den Spielern der Akademie gekocht. Diese variieren und dazu werde ich noch gesondert berichten. Auch zu kulturellen Gegebenheiten. Die Spieler und unser Projektleiter bestehen nämlich darauf, weil wir sowohl Gäste, als auch "Coaches", ihnen also hierarchisch übergestellt sind, dass wir keinen Finger rühren und uns bekochen lassen. Auch unsere Wäsche wird gewaschen und unsere Hütte geputzt. Auf der einen Seite total fürsorglich und schön, auf der anderen Seite auch manchmal unangenehm und herausfordernd, einfach nichts zu tun während alles für einen getan wird, es aber als unhöflich angesehen wird, sich zu beteiligen. Dazu aber später mehr. Die Vormittage hatten wir bislang meistens frei und haben diese für Workouts mit Reifen und Steinen als Gewichte, einem Balkon für Klimmzüge und einer Decke für Bodenübungen genutzt. Wir gebrauchen die Zeit außerdem, um unsere Wohnlandschaft mit Kleinigkeiten etwas angenehmer zu gestalten. Durch einen Ratschlag meines Onkels haben wir eine Wäscheleine mitgenommen (Top-Tipp!), eine Klobrille besorgt und unser Zimmer gegen Kakerlaken gesichert. Ein kleiner Fernseher und ein Spiegel sollen noch folgen. Die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens zu schätzen lernen - optimaler Standort dafür.


Ansonsten haben wir bislang viel Zeit in unserem Zimmer verbracht, in dem wir am Handy saßen oder ein Buch lasen, und auch einfach mal keinen Trubel genossen haben. Aber auch das war oft ein Trugschluss, da es hier üblich ist, dass plötzlich Spieler, Nachbarskinder, der Coach oder random Personen vor unserer Tür stehen. An einem Tag lagen wir vormittags völlig entspannt in Unterhose in unserem Gemach, als plötzlich ohne Vorankündigung der Bruder des Projektleiters mit seinem Sohn (?), der unserer Akademie beitreten möchte, filmend (!) mit seinem Handy in unserem Zimmer stand. Beim Schreiben dieser Zeilen und an diese Erinnerung, dieser für uns völlig skurrilen Situation, muss ich immer noch herzhaft lachen. Er stellte sich uns vor, war super nett, wir aber völlig überrumpelt. Wir haben bislang viele, von für unser Verständnis merkwürdigen sozialen Interaktionen, von denen ich noch auf einige zu sprechen komme, erlebt, aber das war eines der Highlights. Völlig selbstverständlich wollte er mit dem zukünftigen Coach (zum Glück Max) seines Sohns noch ein Foto schießen und verabschiedete sich anschließend. Stellt euch diese Situation mal in euren eigenen vier Wänden vor, einfach nur wild. Ansonsten haben Samuel und ich gemeinschaftlich den Barber-Shop für Max eröffnet. Für den ersten Versuch finden wir's, abgesehen von einem ziemlich groben Übergang, ein akzeptables Ergebnis. Seht selbst:


Überraschend haben wir in unserem Dorf auch deutsche getroffen. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet, ich meine die Wahrscheinlichkeit war im Vorhinein extrem gering. Aber hier gibt es einen Deutschen, der mittlerweile seinen Hauptwohnsitz in einem Nachbarort mit Ghanaischer Frau und Kindern verlegt hat und mittels einer Organisation vordergründig Medizinstudentinnen an ortsansässige Krankenhäuser für ein Monatspraktikum vermittelt. Als wir einen Abend schon mal die Barkultur austesten wollten, wurden wir spontan zu einem Geburtstag eingeladen und sind dem natürlich dankend gefolgt. Total schön auch für die zukünftige Zeit einen Kontakt zu einem erfahrenen Deutsch-Ghanaer vor Ort zu haben, bei dem man mit Gleichgesinnten einen oder mehrere lustige Abende verbringen kann. Vielleicht schaffts eine Geschichte ja mal hier rein. Mal schauen...
Ansonsten stand tagsüber meistens Fußball in Form von Training oder Spielen an. Abends wurde nach dem Essen ab und zu Karten gespielt, einfach nur zusammengesessen, der Kontakt zu Freunden und Familie gesucht oder einfach nur im Bett gelegen.
erste(s) Trainings und Vorbereitungsturnier
Der eigentliche Grund, weswegen ich nach Ghana aufgebrochen bin, lässt sich hoffentlich sowohl zwischen den Zeilen als auch aus meinen vorherigen Blogeinträgen erkennen. Logischerweise geht es bei diesem Abenteuer aber nicht nur um mich. Meine Aufgaben in diesem Freiwilligendienst umfassen sowohl die feste Zuteilung einer Jugend-Fußballmannschaft, bei mir eine U15, das heißt, Vorbereitung und Leitung des Trainings, der Freundschafts- und Pflichtspiele als auch das Unterstützen oder leiten im Unterricht einer Schule. Zu Letzterem kann ich noch nichts Konkretes sagen, da hier momentan noch bis zum 09.09.24 Ferien sind und ich somit mit der Schule noch keine Berührungspunkte hatte. Trainiert wird hier 5x die Woche. Da viele Kinder durch die Ferien momentan noch zuhause weilen und somit die U13 (Max' Mannschaft) und die U11 (Samuel's Mannschaft) zusammengelegt sind, kümmern wir uns bislang gemeinsam um die Betreuung der schon vollständigen U15. Die verschiedenen Bezeichnungen stehen übrigens für die Altersklassen. Sollte man meinen. Hier ist das mit dem Alter nämlich so eine Sache. Ich glaube, viele kennen ihr wahres Alter nicht oder wollen es nicht preisgeben. Offiziell wird hier nämlich mit Gewicht gearbeitet. Also in meiner Mannschaft dürfen alle spielen, die unter 65 Kg wiegen, bei Max unter 45 Kg. Ob die Gewichtsangabe bei unterschiedlich entwickelten Körpern bei Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle maßgebliche Einheit ist, sei dahingestellt. Wir überlegten uns im Vorhinein verschiedene Übungen, die wir im Training umsetzen wollten. Im Vordergrund steht in dieser Zeit jedoch das gegenseitige Kennenlernen. Anscheinend habe ich stand jetzt ca. 30 Spieler im Kader, davon kenne ich jetzt schon einen Großteil der Namen, Positionen, Stärken und Schwächen. Andersrum müssen die Jugendlichen mich und meine Art natürlich auch kennenlernen. Das ist ein Prozess, der mir aber momentan viel Spaß bereitet. Man merkt ihnen die große Schüchternheit und Zurückhaltung noch stark an, vor allem da hier der Respekt vor Coaches, wie oben beschrieben, sehr hoch ist. Insgesamt kann ich aber auch jetzt schon sagen, dass der Respekt vor jedem Mitmenschen hier sehr groß ist. Auffallend ist das definitiv bei Spielen, wo nach Schiedsrichterentscheidungen niemand auf die Idee kommt, beim Schiedsrichter zu motzen. Dafür ist die Theatralik sowohl bei "Fouls" oder aber auch bei Torjubeln sehr hoch. Ich habe den Eindruck, dass viele sich das bei unseren europäischen Profivereinen abgeguckt haben. Irgendwie total süß, da sich manche augenscheinlich wirklich wie Profis verhalten wollen. Das ist für viele auch der große Traum. Kenne ich zu gut. Meine Aufgabe ist es, sie dabei zu begleiten und vielleicht hat einer eines Tages das Glück! Wer weiß... Vom Niveau würde ich sagen, dass diese U-15-Mannschaft bei uns in der Bezirks-, wenn nicht sogar Landesliga mithalten könnte. Die Altersfrage natürlich nicht beantwortet. Ein Vorbereitungsturnier liegt auch schon hinter uns. Die Gruppenphase noch mit 2 Siegen aus 3 Spielen überstanden, war aber leider im Achtelfinale im Elfmeterschießen Schluss für uns. Dabei unterstützt hat mich unser Coach, der auch unser Projektleiter ist, da er die Spieler logischerweise deutlich besser kennt als ich. Einmal könnt ihr raten, was ich ihm als mein Gastgeschenk mitgebracht habe:




Natürlich ist in vielerlei Hinsicht noch Luft nach oben. Auch ich muss mich an viele Abläufe als Trainer gewöhnen und mich darin stetig weiterentwickeln. Beispielsweise bin ich in der englischen Sprache noch nicht so flüssig, dass ich präzise ausdrücken kann, was ich von den Spielern möchte. Oder welche Trainingsmethoden setze ich an, um Spieler- aber auch Mannschaftsspezifisch Fortschritte zu erreichen. Fürs erste machts aber total viel Spaß mit den Jungs. Auch die Verantwortung als Coach zu tragen und mit einigen talentierten Spielern hoffentlich ihr Maximum herauszuholen reizt mich enorm. Wenn dann noch eine geglückte Einwechslung gelingt und der Spieler anschließend ein Tor erzielt, fühlt sich das einfach nur geil an. Bin gespannt und freue mich darauf wie's weitergeht.
DOL-Supercup-Finale 2024
Eines Abends fragte uns der Coach, ob wir ihn am nächsten Tag zu einem Fußballspiel begleiten möchten. Da wir uns natürlich freuen, verschiedene Eindrücke zu gewinnen und Fußballverrückt sind, willigten wir ein. Uns stand eine fünf bis sechsstündige Fahrt bevor. Dafür mieteten wir uns ein kleines Taxi für den gesamten Tag. Das ist hier teilweise üblich. Die Fahrt war auch schon ziemlich anstrengend, da unsere Workouts schon ihre Wirkung entfalteten und wir mit unseren Schultern eng an eng über Stunden die Rückbank teilten. Höchststrafe, wer in der Mitte saß. Bei einer Pinkelpause, mitten im nirgendwo hielt auf einmal ein TroTro (eine Art Kleinbus) hinter unserem Auto. Wir wendeten uns erleichtert wieder der Straße zu, als uns jubelnd und begeisternd Fußballfans geschmückt mit Fahnen und Flaggen, entgegenjubelten. "Was geht jetzt schon wieder ab?" fragten wir uns lachend. Sie drückten uns einige Fahnen in die Hand, mit denen wir uns ebenfalls schmückten, und begriffen, dass dieser Bus ebenfalls auf derselben Route wie wir unterwegs war. Nun gehörten wir zu ihnen, und das wurde, wie so häufig, mit einem kleinen Fotoshooting mit jeglichen Personen zelebriert. Langsam begriffen wir, dass das nicht nur ein normales, x-beliebiges Spiel war. Mit Informationen wird hier auch eher sparsam umgegangen, solange du nicht explizit nachfragst. Und selbst dann sind diese Informationen nicht immer stichhaltig. Am Ort des Geschehens angekommen, erwartete uns ein kleines Stadion mit einer Tribüne. Wir, als einzige Weiße, zogen anfangs wieder alle Blicke auf uns. Es war sehr spannend, die Stimmung bei so einem Event mitzuerleben. Viele Menschen tanzten und jubelten auf der Tribüne. Es waren sogar Fernsehteams und Reporter vor Ort. Spätestens als der Präsident der Ghanaian Football Association (GFA) angesagt und im Vorfeld auf das Fußballfeld trat, realisierten wir, dass wir Zeugen eines wirklich wichtigen Endspiels eines Pokals werden würden. Das Spiel verlief relativ ereignisarm und endete in der regulären Spielzeit 0:0. Während des Spiels spürten wir des Öfteren, wie eine Fernsehkamera um uns herumschwierte und uns gerne mal in den Fokus nahm. Wir sollten im Nachhinein von verschiedenen Leuten zu hören bekommen, dass sie uns im Fernsehen gesehen haben.


Das Spiel behielt sich die Emotionalität und Höhepunkte fürs Elfmeterschießen auf. Hier wurde es nämlich unfassbar wild. Der Schiedsrichter sollte in den Mittelpunkt rücken. Es ging hin und her. Mal trafen die Schützen beider Mannschaften, mal hielt ein Keeper. Als man gedacht hat, das Spiel wird jetzt durch den entscheidenden Elfer beendet, versagten dem Schützen die Nerven oder der Keeper avancierte zum Killer. Ein wahrer Krimi. Nun wurde der Goalie, der von uns sympathisierten Mannschaft, zum Dreh- und Angelpunkt. Als es 6:6 stand, hielt er seine Mannschaft mit einem Monster-Save im Spiel. Der Jubel war riesig. Der Schiri hatte jedoch was dagegen und pfiff ihn zurück. Großer Aufschrei. Wiederholung. Und wieder hielt er den Ball. Unfassbar was gerade passiert. Diesmal war der Unparteiische einverstanden. Leider versagten dem nächsten Schützen "unserer" Mannschaft die Nerven. Wiedermal lastete der Druck auf der Nummer 1. Und er hielt diesem tatsächlich stand. Obwohl schon alles zum wiederholten Male verloren schien. Auch ich wurde völlig mitgerissen von den Emotionen, die von allen Seiten auf das Feld strömten. Ein Jubel, als hätten sie das Spiel gewonnen. Es war wahrhaftig eine Meisterleistung des Keepers... bis alle realisierten, dass der Schiri ihn wieder zurückgepfiffen hat. Das gibt es nicht. Viele Fans hatten sich schon jetzt nicht mehr unter Kontrolle. Der Keeper tat mir so leid. Es gab minutenlange Diskussionen und Tummulte. Aber jeder weiß, dass der Schiri seine Entscheidungen im Normalfall nicht mehr revidiert. Meine Einschätzung: Es kann schon sein, dass der Keeper im Augenblick des Schusses wenige Zentimeter von seiner Torlinie entfernt war, also regelkonform kann man den Pfiff wahrscheinlich nachvollziehen. Mir fehlte in dieser Situation aber das Fingerspitzengefühl - Es hätte sich niemand beschwert wenn der Schiri nicht gepfiffen hätte. Es kam, wie es kommen musste: in der Wiederholung verwandelte der Schütze und das Spiel ging verloren. Ich konnte den Schmerz des Keepers förmlich spüren - er war so stark und stand am Ende wortwörtlich mit leeren Händen da. Die Stimmung auf den Rängen schien zu kippen. Die Menschen der Verlierer-Mannschaft waren wutentbrannt. So etwas habe ich in meinem Leben und in meinen mindestens 500 Live-Spielen in einem nicht unemotionalen Stadion noch nie erlebt. Sie schrien, fluchten, gestikulierten völlig haltlos Richtung Schiedsrichter und stachelten sich gegenseitig hoch. Auf einmal hielt ein Fan völlig aufgewühlt ein Aufnahmegerät vor mein Gesicht und interviewte mich, ob ich glaube dass der Schiri das Spiel beeinflusst hat. Völlig perplex faselte ich irgendwas relativ diplomatisch auf Englisch. Die Situation schien sich auch nicht zu beruhigen, ständig kamen neue Fans und schrien lautstark auf der Einheimischensprache in jegliche Richtungen. Auch ein Gemänge mit den anderen Fans kam zustande und die Momente waren teilweise unübersichtlich. Wahnsinn - ich liebe Fußball und Emotionen, aber das war selbst mir drei Nummern zu viel. Die Fans versuchten aufs Feld zum Schiri zu kommen, der bereits auf dem Feld von der Verlierermannschaft angegangen wurde und von Security vom Feld begleitet werden musste. Zu meinen oben geschilderten Eindrücken vom großen Respekt vor den Schiris stehe ich weiterhin, aber hier sind alle Emotionen übergekocht und es gab gefühlt keinen Respekt mehr vor irgendwem. Das waren so heftige Eindrücke. Und das obwohl das Spiel 90 Minuten ereignisarm verlief. Wir schlittern so häufig bis jetzt ohne Vorwarnung in so intensive Situationen, unglaublich für die ersten 2 Wochen.
Anschließend kamen zwei Spieler, die zu unserer Akademie gehören, aber zu der von uns sympathisierten Mannschaft ausgeliehen sind zu uns auf die Tribüne und sprachen mit unserem Projektleiter. Einer von ihnen lieferte 90 Minuten ein starkes Spiel ab. Anschließend gingen wir gemeinsam zum Glück aus dem Stadion in etwas entspannteres Gefilde heraus. Auf einmal kamen Kinder freudig auf uns (Max, Samu und mich) zu und wollten Fotos mit uns. Um das nochmal zu verdeutlichen: Bei einem Finale von einem Profispiel, steht ein Profispieler, der 90 Minuten auf dem Platz stand neben uns und die Kinder interessierten sich nur für uns. Auch die Blicke der anderen klebten an uns. Es ist so surreal. Wir fühlten uns wie heimliche Stars, dabei sind wir einfach nur 3 Typen aus Deutschland. Ich glaube das werde ich bei Gelegenheit nochmal intensiver analysieren. So fuhren wir mit unserem Taxi voller Emotionen, Fragezeichen und Erleichterung wieder Richtung Heimat.

Scouting-Ausflug
Um unsere Akademie mit neuen Talenten zu versorgen werden wir während des Jahres verschiedene Scouting-Touren veranstalten. Dabei schauen wir uns entweder einzelne Spiele oder ganze Turniere an um Spieler zu identifizieren, die für uns in Frage kommen. Die erste führte uns zurück in die Nähe der Hauptstadt Accra. Von dort aus ging es noch ca. zwei Stunden in Richtung Osten. Da wir gleichzeitig Veranstalter des Turniers waren, hatten wir einen Pokal und Trikots, die als Auszeichnung für die besten Spieler des Turniers vorgesehen waren im Schlepptau. Die Reisen sind schon oft anstrengend, da wir über Stunden dicht an dicht in einem TroTro, welche die kostengünstigste Variante zum Reisen ist, sitzen. Wir reisten Freitag los und sollten zwei Tage in einem Hotel übernachten. Das Turnier fand am Samstag statt. Als wir Freitag Abend ankamen und unsere Zimmer begutachteten waren wir so unglaublich froh. Ein großes Bett, eine normale Toilette und eine DUSCHE. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie wir bereits nach zwei Wochen ohne richtige Dusche dieses Gefühl und diesen Prozess der Körperhygiene zelebriert und genossen haben. Kaum auszumalen, wie es uns nach unserer Rückreise nach Deutschland ergeht, wenn wir bereits nach zwei Wochen große Mengen Glückshormone aussprühen, nur weil uns Wasser mit Druck den Rücken hinunterläuft. Es sind wirklich die kleinen Dinge und unter anderem deswegen bin ich hier. Uns begrüßte eine Art Pastor, der nicht unwesentlich älter als ich war überaus freundlich und hieß uns herzlich willkommen. Dieser junge Mann sollte noch eine gewichtete Rolle in diesem Ausflug für mich spielen. Erstmal gingen wir abends mit ihm ins Dorf, setzten uns in einen Imbiss und warteten bis unser Essen zubereitet wird. In der Zwischenzeit nutzte ich die Zeit um den Kontakt mittels Videoanruf zu meinen Freunden zu suchen. Einer meiner Kindergartenfreunde aus meinem Heimatdorf sollte nämlich an diesem Wochenende heiraten. Die Bande versammelte sich bereits am Vorabend, grillten, spielten Flunky-Ball und waren lustig beieinander. Dabei nur aus der Ferne teilzunehmen war nicht einfach für mich. Mit schwerem Herzen verabschiedete ich mich aus der Runde.
Nach unserer Mahlzeit, zu der wir ins Hotel zurückgekehrt sind, warteten wiedermal zwei sehr skurrile Situationen auf uns. Der eben erwähnte Pastor kam mit seiner Frau in unser Gemach und stellte sie uns höflich vor. Das ist hier üblich, dass man verschiedensten Personen vorgstellt wird, die Hand schüttelt und Namen austauscht. Alles fein. Als der Pastor seine Frau zur Verabschiedung aufforderte sich umzudrehen und uns ihren Hintern zu präsentieren, während er uns fragte ob wir diesen Anblick nicht anhimmeln würden, wussten wir nichts mehr zu sagen. Das war aber noch nicht alles. Als wir uns wiedermal perplex darüber austauschten was denn gerade vorgefallen ist, kam der junge Mann mit einer neuen Dame in unser Zimmer. Zur Erklärung: Wir hatten 2 Doppelzimmer, wovon ich eines alleine bewohnte und ein Vorzimmer, indem wir aßen und eine Couch stand. Ich saß auf besagter Couch und die Dame setzte sich neben mich. Die beiden anderen Jungs sind antizipierend in ein anderes Zimmer geflüchtet. Nun saß ich da mit dem Pastor und einer fremden Frau. Im nächsten Atemzug musste ich mich "rechtfertigen", wieso ich denn nicht die Nacht mit ihr verbringen möchte und sie anschließend auch nicht heiraten möchte. So eine unangenehmen Situation. Vor allem habe ich mit der Dame nicht ein Wort gewechselt sondern über den Pastor über sie gesprochen. Ich wusste schon wieder nicht was eigentlich gerade abgeht. Schnell eine imaginäre Freundin ins Spiel gebracht, was für ihn aber nicht unbedingt als Argument galt, da wir ja nicht verheiratet wären. Mein Weltbild wurde in so vielerlei Hinsicht angegriffen. Irgendwie habe ich es dann aber hoffentlich einigermaßen gefühlvoll vermittelt bekommen, dass ich kein Interesse an dieser Interaktion habe. Als die beiden den Raum verließen, kam ich überhaupt nicht auf mein Leben klar. Ich bin so froh, dass Max und Samu in unmittelbarer Nähe waren, weil mir das sonst wahrscheinlich keiner glauben würde. Auch dass wir uns nach so einer Situation einfach austauschen können, war bislang ein Segen.
Von dort an war mir der Pastor mehr als suspekt. Gleichwohl stand er am nächsten Morgen wieder bei uns auf der Matte. Es ist nämlich üblich wenn man einen Ort besucht und dann noch eine Veranstaltung organisiert sich bei dem Chief des Dorfes, also dem "Oberhaupt" blicken zu lassen. Bei dem Spaziergang wieder die üblichen Blicke und freundlichen Begrüßungen. Wir schlenderten von Haus zu Haus bis wir im Endeffekt den Vertreter des Vertreters vom Chief gefunden haben. Anschließend stellte uns der Pastor seiner weiteren Frau mit Kind vor. Wir hatten das Gefühl, dass er gerne mit uns diesen Spaziergang in die Länge zog um möglichst vielen Leuten zu zeigen "Hey - ich habe weiße Freunde" - war aber wie gesagt nur ein Gefühl.

Als wir alle wichtigen Leute gegrüßt haben, ging es nach dem Frühstück zu Dritt auf einem Motorrad (wild, aber lustig) zum Fußballfeld, auf dem das Turnier ausgetragen wird. Wir sahen uns etliche Spiele an, und versuchten unsere Diamantenaugen glitzern zu lassen. Und tatsächlich gab es einige Spieler die unser Interesse geweckt haben. Wir tauschten uns während des Spiels und danach intensiv aus, welche Trikotnummern, also Spieler, sich besonders hervorgetan haben. Am Ende des Turniers gab es eine Siegerehrung und die Bekanntgabe welche Spieler mit uns kommen dürfen. Dazu sei gesagt, dass wir einigen die Möglichkeit gegeben haben, die wirkliche Zahl der Spieler, die zu uns kommen und ob überhaupt jemand zu uns kommt, kann ich heute (25.08), eine Woche später, nicht bestätigen. Natürlich spielen die Eltern und die Schule eine gewichtige Rolle. Fader Beigeschmack: Dem Coach wurde vor dem Turnier eine Liste mit Spielern ausgehändigt, die auf jeden Fall ein Angebot bekommen sollen. Unser Gedankenspiel: Wir haben kostenlose Logis, Verpflegung und die Möglichkeit, ein Turnier mit spannenden Spielern bekommen, zum Preis zwei, drei Spieler mitzunehmen, die es sonst vermutlich nicht geschafft hätten. Außerdem wurde ganz groß mit uns Deutschen geworben. Auf dem Spielplan gab es eine anscheinend von uns gegründete, deutsche Agentur, die Mitorganisator des Turniers war. Dementsprechend wurden auch etliche Fotos mit uns gemacht. Realität: Wir hatten keine Ahnung von nichts und waren nur froh diesen Trip und die Erfahrung mitzunehmen.

Während eines Spiels verließ ich meinen Scouting-Posten, und ließ mich erneut per Videotelefonie zur Trauung meines engen Freundes hinzuschalten. Ich konnte zumindest halbwegs zum besiegelnden Kuss und zur Ringübergabe "anwesend" sein. Wieder schmerzte es mich enorm nicht vor Ort zu sein. Alle waren schick hergerichtet und genossen sichtlich den Moment. Einige waren zu Tränen gerührt. Als ich meine Glückwünsche durch das Handy eines guten Freundes überbringen durfte, und sowohl meine anwesende Mama, als auch der Bräutigam zu weinen begannen, musste auch ich mit mir ringen. Das ist der hohe Preis, den ich zahle. Diese Momente zu verpassen. Davon wird es noch weitere geben. So froh ich bin diese Selbstentfaltung gerade leben zu können, und so herausfordernd die Anpassung an die neue Umgebung und Kultur auch ist, sind das die Situationen in denen ich wirklich leide. Alles andere, vor allem Materielles (keine Dusche oder ein gutes Bett zu haben) ist für mich (glücklicherweise) vergänglich. Die Momente mit den Liebsten können jedoch auf ewig bleiben. All das ist mir bewusst. Das ist eine Schattenseite, die ich bereits in Italien kennenlernen durfte, und in der ich begriff: Ich kann nicht alles haben. Das wäre tatsächlich auch zu viel verlangt. Schmerzhaft ist es aber alle Male.
Ich freue mich wahnsinnig, dass die beiden eine wunderschöne, ganz nach ihren Vorstellungen gelungene Hochzeit mit Freunden und Familie erleben durften und es abends anscheinend mächtig krachen lassen haben. Auf eine erfüllte, gesunde, langlebige Ehe meine Lieben! <3


Anschließend verabschiedeten wir uns inbrünstig von unserer Dusche und begonnen bereits am Vorabend unverheiratet unsere Heimreise um in der Nacht zuhause anzukommen. Hintergrund war ein Spiel am nächsten Tag, das aber abgesagt wurde. Auch das wird anscheinend öfter passieren. So endete mal wieder ein ganz wilder Trip mit verschiendenen Höhen und Tiefen und ganz sicher mit vielen neuen Eindrücken. Vielleicht versteht ihr jetzt den Titel des Blogeintrags, da ich manchmal das Gefühl habe bereits seit einigen Monaten hier zu sein, obwohl es zu diesem Zeitpunkt erst zwei Wochen waren. Und hier schaffen es ja auch nur die absoluten Highlights rein. Es ist so verrückt. Aber ich freue mich auf weitere spannende Erlebnisse!
kommende Veröffentlichungen
Auf Folgende Berichte könnt ihr euch bereits schon jetzt freuen:
- Meine Gedanken, Gefühle und Einordnungen zu meinem Start
- Essen und Trinken (mit Bildern und Bewertungen unsererseits)
- Kultur (Unterschiede, Gemeinsamkeiten etc.) -> wird wahrscheinlich später kommen, dazu möchte ich noch mehr Eindrücke sammeln
- Weitere aufregende Geschichten die das Leben schreibt...
Mich haben einige Nachrichten erreicht, in dem ihr mir so positives Feedback für den bisherigen Blog gegeben habt. Das motiviert mich total und ich werde dranbleiben! Bei Feedback, Fragen, Kritik o. Ä. kontaktiert mich gerne. Für die, die nicht meine Nummer haben: justin.fe@web.de oder auch gerne hier in der Kommentarfunktion. Bis zum nächsten Eintrag - ich freue mich!
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Kommentare
Was für ein Abenteuer 😅👍🏻man kann gar nicht aufhören zu lesen 😬super geschrieben . Weiterhin viel Spaß und passt auf euch 🥰
Ich finde du solltest nach dieser Reise mal überdenken ob du nicht Vilt ein deutliches schreib Talent besitzt.
Freuen uns schon auf neues.
Denken an dich.
Mia , Mario , Jacky