Die Hauptstadt Accra tauschen wir gegen ein beschauliches Bergdörfchen namens Bepong. Hier erfahrt ihr mehr über unseren Weg dorthin, unsere Wohnverhältnisse und die ersten Eindrücke bei einem Spaziergang durch unsere neue Heimat.

Um von der Hauptstadt Accra zu unserem Einsatzdorf Bepong zu gelangen, lagen ca. 4 Stunden Fahrt ins Landesinnere vor uns. Diese sollten wir mit einem Bus zurücklegen. Wir hatten im Vorfeld einige Bedenken was das denn für ein Bus sein solle, und ob auch unser Gepäck Platz finden würde. Ich war durchgehend in Alarmbereitschaft, da ich unbedingt vor allem den "BVB-Koffer" sicher ans Ziel befördern wollte. Chris brachte uns zu eine Art Busbahnhof, von wo sämtliche Busse in alle Himmelsrichtungen aufbrachen. Es standen tatsächlich locker 50 große Reisebusse parat, die sich für ihren Einsatz bereithielten. Dementsprechender Trubel. Ticket gekauft, Gepäck verstaut, Chris verabschiedet, Platz genommen. So eine angenehme Art reisen zu können. Große Sitze, fast schon sesselartig, klimatisiert und ausreichend Beinfreiheit. Alle Bedenken in Luft aufgelöst. Wie so häufig. Vor Fahrtbeginn hielt der Fahrer eine kleine Rede, dass wir vor allem mit Gottes Hilfe eine sichere Fahrt haben werden. Religion ist hier ein großes Thema, in fast allen Lebensbereichen. Anschließend ertönte ghanaische Reggae-Musik aus den Boxen. Zu meinem vollkommenen Glück fehlte mir nun nur noch eine Sportlerzigarette. Mit so einem großen Bus die ungeteerten Straßen zu reiten hatte ab und zu etwas von einer Achterbahnfahrt. Ansonsten öffneten sich uns nun die Tore außerhalb der Großstadt. Die Farbe Grün dominierte konstant. Es gab so viele Pflanzen und Natur zu bestaunen. Mit Unterbrechung von einigen Orten, die wir passierten. Hier zeichnete sich auf den ersten Blick oft ein stärkeres Armutsbild als noch in der Stadt ab.
Der Bus nahm Kurs auf die nächste Großstadt Kumasi. Wir sollten auf dem Weg in einem Ort namens Nkawkaw (ausgesprochen "Nkoko") verabschiedet werden. Wir waren tiefenentspannt, nach kleinen Nickerchen und lockerer Musik auf den Ohren. Das sollte sich schlagartig ändern. Wir stiegen völlig unvorbereitet und nichtsahnend aus dem Bus, als plötzlich diverse Verkäuferinnen auf uns zurannten. Ja - sie rannten. Wir standen auf einmal völlig planlos mit 10 Gepäckstücken auf der Haupthandelsstraße des Ortes mitten im Trubel. Ich hatte auf einmal das Gefühl im Mittelpunkt des Universums zu stehen. Alle, wirklich alle Blicke, die ich registrieren konnte waren auf uns gerichtet. Es war in diesem Moment ein unangenehmes, noch nie dagewesenes Gefühl, vor allem mit dieser Vielzahl an Koffern und Rucksäcken aus dem tiefenentspannten Bus in diese Realität geworfen zu werden. Erstmal sammeln. Den Verkäuferinnen klarmachen, dass wir nichts kaufen wollen. Nach einem Telefonat mit unserem Coach, der uns einsammelt, mussten wir noch ca. 20 Minuten in dieser Situation ausharren. Die Damen, an deren Stand wir zufällig ausgesetzt wurden, bestanden darauf, dass wir uns zu ihnen setzen und auf ihren Hockern Platz nahmen. Nach 4-stündiger Busfahrt war ich eigentlich ganz froh stehen zu können, aus Respekt setzten wir uns jedoch zu ihnen. Die Leute waren trotz, dass einige ihre Chance witterten, sehr zuvorkommend, hilfsbereit und nett. Auch hier wieder, wir haben einige Male über solche Situationen im Vorfeld gesprochen, es aber selbst zu erleben im absoluten Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aufgrund seiner Hautfarbe zu stehen, was uns noch unzählige Male passieren wird, ist für mich nicht greifbar. Viele Kinder guckten ungläubig. Ein offenes Lächeln und kleines Winken ließ die Kleinen oft völlig ausrasten vor Freude. Wahnsinn. Irgendwann hielten zwei Taxis vor uns an. Unsere Mitfahrgelegenheit war angekommen. Ein Auto nur fürs Gepäck, das andere für uns. Intensiver Start.
Nun wurde es Zeit unsere Unterkunft für ein Jahr kennenzulernen. Natürlich rätselten wir ein wenig im Vorfeld. Wie viele Räume wird es geben? Haben wir eine kleine Kochnische? Wie sieht das Badezimmer aus? Gibt es einen Ventilator? Vorweg genommen, ich werde unser erstes gemeinsames Abendessen mit unserem Coach nachdem er uns die Roomtour gegeben hat wahrscheinlich nie vergessen. Die hilflosen Blicke, die mein Gegenüber, Samuel und ich austauschten sprachen Bände. Diese gepaart mit einer ordentlichen Prise Galgenhumor, aber auch sehr leckeren, gut gewürzten Nudeln, machten diese Situation für mich so unvergesslich. Um das richtig einzuordnen: Ich bin total dankbar ein Dach über den Kopf zu haben, muss aber auch sagen, dass die geringen Erwartungen die wir hatten, untertroffen wurden. So kann's nun mal laufen mit den manchmal hinderlichen Erwartungen. Also auf geht's, ich zeige euch die wichtigsten Schauplätze, die wir nun für ein Jahr unser eigen nennen dürfen.

So sieht unser kleines Heim von außen aus. Der große Vorplatz wird oft für unsere gemeinsamen Mahlzeiten, zum Kartenkloppen oder zum Fußballgucken genutzt. Im Nachbarhaus leben einige Kinder, die durch eine erhöhte Lage gerne zu uns rüber luschern, mit uns quatschen oder sogar rüber kommen. Die Reifen und Steine, die neben dem Eingang liegen, werden von uns regelmäßig (bisher) für Workout-Einheiten genutzt. Musikbox, ein Laken für Bodenübungen und viel Kreativität lassen uns morgens ein halbwegs akzeptables Training absolvieren.

Das ist unser Hauptaufenthaltsraum bis jetzt - hier schlafen wir, ziehen uns zurück wenn wir Zeit für uns brauchen und sehen das als einzigen Safe-Space den wir haben. Wir teilen uns die kleine Hütte nämlich noch mit einer Person. Das Zimmer jedoch nicht. Trotzdem: Das Wort Privatsphäre wird für ein Jahr aus meinem Kopf verschwinden müssen. Die "Matratze" besteht aus zwei dünnen Kunstleder-Sofa-Auflagen. Komfort wird dieses Jahr ebenfalls kleingeschrieben. Die BVB-Flagge wurde demonstrativ breit über meinem Bett aufgehängt. Ihr möchtet einen authentischen Blog? Okay weiter gehts...

Jap - das ist unser Badezimmer(?). Funktioniert folgendermaßen: Eimer mit Wasser füllen. Über den Kopf schütten. Waschen. That's it. Fließendes Wasser? Fehlanzeige. Die großen Regentonnen werden immer händisch mit Eimern von unseren Akademie-Spielern mit Brunnenwasser gefüllt. Weiter gehts...

So sieht unser stilles Örtchen aus. Ziemlich einladend oder? Keine Klobrille, kein fließend Wasser. Also auch hier wird mit Eimern nach jedem Gang nachgeholfen. Vielleicht kann der ein oder andere sich die Blicke während des beschriebenen Abendessens zwischen Samuel und mir nun besser vorstellen. Ich war baff. Tröstend war wirklich, dass wir zu dritt in einem Boot saßen und ganz viel mit Humor nehmen konnten.
Spaß beiseite - Mir war und ist völlig bewusst worauf ich mich auch im Vorhinein eingelassen habe. Dass diese Art des Wohnens im Bereich des Möglichen lag, wusste ich. Und ich habe mich trotzdem dafür entschieden. Natürlich bin ich einen völlig anderen Standard gewöhnt. Und ich kann auch nicht leugnen mir etwas mehr Komfort, Raum und Hygiene gewünscht zu haben. Nun ist es wie es ist. Wir haben das Komplettpaket gebucht und nehmen die Herausforderung an.
Schock verdauen und Schlafen gehen. Der erste richtige Tag im neuen Heim startete mit einem gut gewürztem Rührei-Sandwich und einem süßen Heißgetränk. Alles direkt vor unserer Tür serviert. Die Fürsorge der Menschen hier ist schon jetzt zu spüren. Anschließend stand ein Rundgang durch unser neues Heimatdorf mit unserem Tour-Guide "Latif", ein Spieler der Accademy an.


Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nur aus Erzählungen und dem Seminar was uns nun wohl erwarten wird. Und dies wurde vollkommen bestätigt. Es waren wiedermal etliche Eindrücke, die einen umgeben. Vordergründig unzählige Menschen, deren Augen auf uns gerichtet waren. So viele Kinder, die uns freudestrahlend "Obroni" ("Weiße Person" auf der einheimischen Sprache Twi) entgegenriefen und dabei mal zurückhaltend, mal euphorisch winkten. Erwachsene haben sich über einen kurzen Handgruß und ein Lächeln gefreut, fragten uns wie wir heißen, wie es uns geht und hießen uns in Ghana herzlich willkommen. So viel Herzlichkeit und Positivität von Fremden Menschen ist für mich völliges Neuland. Wir trafen zukünftige Spieler, Coaches und unseren Busfahrer, der uns gleich mal ein geschältes Zuckerrohr aus seinem Garten in die Hand drückte. Süß und voller Saft. Gleichzeitig begutachteten wir unsere zukünftigen Einsatzorte, die Fußballfelder, auf denen wir trainieren und spielen werden. Der Platz, der für die U19 vorgesehen ist, ist ein Kunstrasenplatz in gutem Zustand. Da stieg unsere Vorfreude enorm. Die anderen Plätze sind für europäische Verhältnisse in einem rabiaten Zustand: abschüssig, wenig Rasen und mit Holz oder Bambus selbstgebauten Tore. Funktional. Auf unserem Heimweg merkte ich wie meine soziale Batterie und mein Energielevel auf ein Minimum geschrumpft sind. So geht es mir aber schon die ganzen Tage bis jetzt. Wir sind jeweils nur wenige Stunden unterwegs, aber die Reize, die einen einnehmen sind bis jetzt von so einer enormen Intensität, dass ich anschließend erstmal vieles sacken lassen muss. Auch deswegen schreibe ich diesen Blog, und führe nebenbei noch 3 verschiedene Tagebücher um vieles einfach festhalten zu können. Was mich bei einigen, auch fordernden Eindrücken schon jetzt bewegt, ist diese Freude und Herzlichkeit vom Großteil der Leute, die uns Willkommen heißen. Trotz, dass sie für meine gewohnten Verhältnisse augenscheinlich in bitterer Armut leben. Ich habe bei vielen das Gefühl, dass sie sich aufrichtig freuen, dass wir Gast ihres Landes sind. Obwohl sie uns überhaupt nicht kennen. Natürlich gibt es ebenso Leute, die uns skeptisch begutachten und möglicherweise auch als wandelnden Reichtum sehen. Darauf liegt aber definitiv nicht mein Fokus.
Nun kennen wir unsere zukünftigen 4-Wände und unsere grobe Umgebung. Es wird Zeit ins Handeln zu kommen, Trainings zu leiten, Menschen zu begegnen, weiterhin vieles in sich aufzusaugen und sich selbst in dieser maximal ungewohnten Situation neu zu finden. Auf geht's!
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Kommentare
Das hört sich sehr spannend und mutig an . Weiterhin viel Kraft und Spaß ❤️
Hallo kleiner Bruder,
Wir vermissen dich sehr und doch erleben wir es fast mit durch deine tollen Texte.
Fühl dich gedrückt , wir sind immer bei dir.