Abflug und Ankunft

Veröffentlicht am 31. Juli 2024 um 13:55

Alles ist gepackt, Freunde und Familie sind verabschiedet - was erwartet mich? Was für Eindrücke prasseln auf mich ein? Klappt alles einwandfrei?

Meine 3 (!) Koffer sind gepackt, alle Vorbereitungen sind getroffen, die Liebsten verabschiedet, nun heißt es rein ins Ungewisse. Jeder von uns durfte 2x23Kg und ein Handgepäck (8Kg) aufgeben.  Ich musste noch einen Dritten, für die BVB-Sachspenden (mehr dazu im  Blogeintrag "Vorbereitungen") dazubuchen. Am Vorabend habe ich bei meinen Großeltern bei einem gemütlichen Grillabend das vorerst letzte Weißbier mit meinem Opa genoßen. Er hat sich selbstlos bereiterklärt, mich Nachts um 3:00 Uhr zum Flughafen nach Frankfurt zu fahren. Gerade noch rechtzeitig um die übrigen Promille zu verdauen. Und da wäre ich nun - am Flughafen, der mich in eine andere Welt befördern wird. Nun ja, nach einem Zwischenstopp in Brüssel. Nach und nach trudelten alle Mitfreiwilligen, die nach Ghana aufbrechen ein. Sieben Stück an der Zahl. Alle voller Vorfreude, aber auch voller Abschiedsschmerz von Partnerin, Familie oder Freunden. Eben ein Sprung ins Ungewisse in vielerlei Hinsichten. Nach erfolgreicher Verabschiedung, Gepäckaufgabe und Sicherheitskontrolle war der Weg frei um ins erste Flugzeug zu steigen. Für Tim, der die gesamte Nacht durchgemacht hat, wird es sein erster Flug überhaupt sein. Was für ein Tag - schon jetzt. Der unangenehm kurze Flug von knapp 45 Minuten ging wie im Flug vorbei. Kurz eingenickt, schon in Brüssel angekommen. Beim Zwischenstopp noch einen kurzen Kopfstand eingebaut und auf gehts in den Eurowings-Flieger nach Accra.

Der etwas verspätete Flug Richtung Westafrika verlief ohne Komplikationen. Schlaf. Film. Essen und Trinken. 6h weiter. Landung in Accra. Beim Verlassen des Flugzeugs ist das erste was mir entgegenkommt die tropische Luft. Beim Immigration Service, bei dem wir unsere Gelbfieber-Impfung und Visum vorzeigen müssen gabs das erste Negativerlebnis. Die Leute am Schalter tragen händisch eine Zahl an Tagen in den Reisepass ein, in denen das Visum seine Gültigkeit behält. Obwohl wir alle im Vorhinein bei der Ghanaischen Botschaft in Berlin für 90 Tage gezahlt haben, wurde den anderen 60 Tage und mir sogar nur 30 Tage eingetragen. Da wir uns sowieso vor Ort noch um das work permit kümmern, welches uns für ein Jahr berechtigt hier zu sein, ist das generell halb so schlimm. Da ich der Dame anscheinend aber überhaupt nicht gefallen habe, und ich sogar nur 30 Tage Zeit habe, der Prozess mit Bürokratie etc. etwas Zeit in Anspruch nimmt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich eine Verlängerung des Touristen-Visums beantragen muss. Natürlich mit Gebühren. Fader Beigeschmack. Ich berichte zu gegebener Zeit wie die Geschichte ausgegangen ist.

 

Nevermind. Die beste Nachricht: alle Koffer und Freiwilligen sind vollständig, heile und erwartungsfreudig angekommen. Chris, unser Mentor für die kommende Zeit begrüßte uns freudig. Er und einige seiner Freunde halfen uns bei dem Gepäck und begleiteten uns zu unserem Gefährt. Eine Art Kleinbus, in dem 7 Freiwillige, 3 Ghanaer, 14 Koffer und 8 Handgepäckstücke Platz fanden. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft für die ersten Tage strömten uns schon einige Eindrücke entgegen. Etliche Straßenstände mit Obst, Kleidern, Schuhen, Sonnenbrillen, Handyhüllen reihten sich gefühlt kilometerweit nebeneinander. Der Verkehr in Accra ist enorm. Es riecht nach Abgasen und Verbrannten. Manche Autos haben blinkende LED's und verrückte Felgen. Manche Menschen lachen freundlich und grüßen wenn sie uns im Auto nebenan erspähen. Im wiederkehrenden Stau laufen Kinder und Verkäufer zwischen den Autos mit Waren auf ihrem Kopf und suchen nach Abnehmern. Viele Menschen, viele Autos, viele Geräusche, viele Gerüche. Wie in einer Großstadt bei uns, nur intensiver und eben anders. In der Unterkunft angekommen, konnten wir erstmal runterkommen und uns sowohl von den Reisestrapazen als auch den Eindrücken erholen. Diese hatte jedoch alle europäischen Standards zu bieten, fließendes Wasser, Dusche und Toilette, angenehme Betten und einen TV, der gerne als gemeinsamer Sammelpunkt zum Olympia gucken genutzt wurde. Viele Häuser, die einen gepflegten und einen etwas wohlhabenderen Eindruck machen, haben eine Mauer mit einem darauf aufliegenden Elektrozaun um ihr Grundstück gezogen. Etwas gewöhnungsbedürftig, erinnert mich ein wenig an ein Gefängnis. Ich muss aber auch sagen, dass das Sicherheitsgefühl innerhalb deutlich höher ist.

Wir sind am Samstag Abend hier eingetrudelt und werden am Dienstag unseren weiteren Weg ins Landesinnere zu unserem eigentichen Projekt antreten. Vorher heißt es aber noch SIM-Karte, Ghana-ID-Card, Bargeld besorgen und entspannt durch Chris in die Kultur und das Essen eingeführt werden.

Ich möchte euch auch schon mal mein Standard-Outfit vorstellen, welches ich in etlichen Ausführungen mithabe. Schwarzes T-Shirt und schwarze Sporthose. Hintergrund: Wir werden vor Ort mit den Händen waschen und dementsprechend wollte ich es mir so einfach wie möglich machen. Zusätzlicher Wärmeeffekt inklusive.

Die ersten Tage waren wirklich sehr entspannt. Wir haben viel Zeit für uns gehabt, in denen wir bspw. ein Sportprogramm absolviert haben, zusammen Karten gespielt oder einfach nur gequatscht haben. Morgens, Mittags und Abends haben wir immer durch eine Art Lieferservice typisch Ghanaische Küche kennenlernen dürfen. Ich glaube dazu werde ich nochmal einen gesonderten Beitrag verfassen. Aber so viel sei schon mal gesagt, es wird ein scharfes Jahr. Zwischendurch gab es immer wieder Sessions mit unserem Mentor, der uns weiter in die Kultur einführte und typische Verhaltensweisen von Ghanaern beibrachte, damit der Kulturschock eventuell nicht zu extrem ausfällt. Bspw. wird hier jede soziale Interaktionen mit der rechten Hand ausgeführt, d. h. Gegenstände übergeben, die Hand schütteln oder Grüßen erfolgen ausschließlich eben mit rechts. Wenn man versehentlich mal die linke Hand benutzt, sollte man "sorry for left" entgegnen. Zum Glück bin ich Rechtshänder und vieles ist für mich schon automatisiert. Aber zu den Verhaltensweisen und kulturellen Unterschieden werde ich zu gegebener Zeit ebenfalls intensiver berichten. Auch hier schon mal vorweggenommen, Chris hat einen tollen Job gemacht, aber auf das was uns erwarten wird konnte uns niemand vorbereiten.

Natürlich haben wir uns auch mal abseits unserer Mauern bewegt und konnte zu Fuß weitere Eindrücke gewinnen. Vieles wie erwartet. Es zu erleben ist jedoch eine ganz andere Hausnummer. Einfache Häuser oder Hütten, die sich nebeneinander aufreihen. Die Straßen sind größtenteils nicht geteert, bis auf die Hauptstraßen. Unfassbar viel Müll, vordergründig Plastik, der überall verteilt ist. Einige Geschäfte und viele Stände. Ich muss sagen mir fällt es auch enorm schwer als offensichtlicher Gast des Landes mein Handy zu zücken und Fotos zu schießen. Ich fühle mich dabei sehr unwohl. Das Gesehene ist jedoch die Realität. Vielleicht ändert sich das mit der Zeit noch und ich kann euch einen authentischen Eindruck von vielem geben. Die folgenden Bilder habe ich in für mich sicherer Umgebung gemacht.

Bei dieser Erkundungstour ereignete sich auch die erste größere Herausforderung für uns. Als wir an einem Straßenabschnitt entlang schlenderten, der aufgrund der hohen Menschendichte, der vielen Stände und des geringen Platzes ziemlich undurchsichtig erschien, begleiteten uns plötzlich kleine Kinder, die maximal im Grundschulalter waren. Sie hielten uns an den Armen und Händen. Erst eins, dann zwei, dann fünf. Um Pauli, eine Mitfreiwillige, sammelte sich ein ganzer Pulk. Es ging alles sehr schnell, von jetzt auf gleich. Einige von uns waren sichtlich überfordert und auch ich wusste die Situation nicht ganz einzuordnen. Einerseits waren die Kinder total hinreißend, auf der anderen Seite war es auch sehr fordernd in dieser sowieso ungewohnten Umgebung nun ein angemessenes Verhalten zu zeigen. Natürlich wollten die Kinder Geld von uns und signalisierten dies dadurch, indem sie ihre Hand mit einer Bewegung zum Mund führten, um zu zeigen, dass sie Hunger haben. Wow. Wir haben vorher über solche Situationen gesprochen, aber wie verhältst du dich wenn du tatsächlich Kinderhände an dir spürst, du in dessen großen Augen guckst, am liebsten jedem ausreichend Essen in die Hand drücken möchtest, es aber nicht kannst. Keine einfache Situation, vor allem emotional. Keiner wusste wie wir damit umgehen, also gingen wir samt den Kindern die Straße weiter. Bis einige Ghanaer davon Wind bekamen, und die Kinder für uns "verscheuchten". Manchmal weiß ich nicht was richtig und falsch ist, und ich glaube das gibt es auch nicht immer. Natürlich waren wir froh und dankbar, dass uns geholfen wurde und wir unseren Spaziergang unbeschwert fortführen konnten. Diese Berührungen und Blicke wirken jedoch nach. Ich glaube das ist erst der Anfang von einer Bewusstheit über die für mich bis dato eingeengten, realitätsfernen, deutschen Brille die ich noch trage.

Anschließend ging es für uns in ein kleines Lokal, welches von Chris empfohlen wurde. Auch hier gab es wieder gutes Essen und nette Gesellschaft. Die übrigen Tage kümmerten wir uns wie gesagt um Behördengänge, was ich euch erspare. Keine besonderen Vorkommnisse, außer dass Bjarne, ein Mitfreiwilliger, im Büro einer Bank mit einem Angestellten bestensgelaunt gesungen hat. Ich kann mich aus meiner 3 jährigen Banktätigkeit nicht an einen Tag erinnern, indem ich mit einem Kunden gesungen habe. In Ghana reichte ein 3 stündiger Aufenthalt dafür. Das sind für mich die kleinen Geschichten, die mich jetzt schon faszinieren. Alsbald kam der Tag, wo wir uns  von unserer 7-er Gruppe in die jeweiligen Projekte aufteilten und uns verabschiedeten. Erneuter Aufbruch ins Ungewisse. Ich wünsche allen eine schöne und wertvolle Zeit und ich freue mich euch spätestens im Zwischenseminar mit einem anschließenden Urlaub wiederzusehen!

Und glaubt mir, jetzt nimmt die Reise erst so richtig Fahrt auf. Ich komme erst jetzt (13.08) dazu das hier zu verfassen, weil in der Zwischenzeit so viel passiert ist. Ich habe schon jetzt das Gefühl seit einem Monat und nicht knapp eine Woche hier zu sein. Ich gebe mir Mühe immer relativ zeitnah und frisch alles zu veröffentlichen. Stay tuned!

 

Ich bin unterwegs - Phil Collins

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